Training

Gassi mit Katze?!

Inzwischen sieht man nicht nur Hunde beim Gassigehen mit ihren Bezugspersonen, sondern hin und wieder begegnet man auch einer Katze beim gemeinsamen Spaziergang bzw. beim gemeinsamen Draußenzeit-Verbringen mit ihrem Menschen. Die Meinungen dazu sind sehr geteilt – von “Wie kann man nur” bis hin zu “Das will ich auch”.

Entscheidet man sich als Bezugsperson einer Katze dafür, mit ihr an Geschirr und Leine rauszugehen, gibt es jedoch einiges zu beachten, denn dieser Schritt will gut überlegt sein! Und ganz wichtig: nicht jede Katze eignet sich dafür, an der Leine draußen spazieren geführt zu werden. Wir schauen uns hier einmal einige Aspekte des Themas an, denn: Wie immer ist es eine Einzelfallentscheidung, ob man seiner Katze gemeinsame Rundgänge ermöglichen möchte bzw. ermöglichen kann oder eben nicht.

Enrichment

So ein gemeinsames Katzengassi kann das Leben einer Wohnungskatze ungemein bereichern: sie bekommt viele Eindrücke, die das Katzengehirn verarbeiten muss, draußen passiert viel, es ist abwechslungsreich und spannend. Sämtliche Sinnesorgane werden auf eine Art und Weise gefördert und gefordert, die eine reine Wohnungshaltung kaum bieten kann. Es ist etwas völlig anderes, Gras anstelle von Teppich oder Parkett unter den Pfoten zu spüren, an einem echten Baum anstelle einer Kratzmatte zu kratzen oder sich im hohen Gras zu wälzen und die gesamte Reizpalette der Natur wahrzunehmen. Die Katze kann draußen so viel mehr Dinge und Situationen kennen- und bewältigen lernen als drinnen – das “Draußen” ist einfach um so vieles größer, abwechslungsreicher, spannender, aber ggf. auch beängstigender und gefährlicher als das “Drinnen”.

Jedoch sollten Sie sich genau überlegen, ob Sie gewillt, bereit und fähig sind, mit Ihrer Katze ggf. täglich kleinere oder größere Touren in die Natur zu unternehmen. Denn wenn Ihre Katze Gefallen daran gefunden hat, kann es sein, dass sie diese Draußenzeiten – mal mehr und mal weniger vehement – einfordert.

Sicherung: Geschirr und Leine

Es ist gar nicht so einfach, ein ausbruchsicheres, gutsitzendes Geschirr zu finden, das den Bewegungsapparat der Katze nicht zu stark einschränkt. Bei den meisten Katzengeschirren fehlt der Bruststeg, der den Halsgurt mit dem Bauchgurt entlang des Brustbeins verbindet, so dass es relativ einfach ist, aus dem Geschirr zu schlüpfen. Inzwischen gibt es aber auch Katzengeschirre mit Bruststeg. Oft sind diese jedoch unter dem Ellbogen zu eng bzw. sitzen zu weit vorne, so dass sie die Katze beim Laufen behindern.

Es gibt auch so genannte Panik-Geschirre. Diese haben einen zusätzlichen Bauchgurt, der enger ist und hinter dem letzten Rippenbogen sitzt, so dass die Katze nicht mehr so leicht hinausschlüpfen kann. Die Suche nach einem passenden Geschirr ist also die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Eine Möglichkeit wäre es, ein Geschirr passend für die Katze schneidern zu lassen. Eine Schnalle am Halsgurt hat einerseits den Vorteil, dass das Geschirr dann nicht über den Kopf gezogen werden muss, andererseits ist eine Schnalle immer eine Schwachstelle, die nachgeben könnte, wenn zu viel Zug auf das Geschirr kommt. Die Gurte sollten nicht zu breit, aber auch nicht zu schmal und idealerweise gepolstert sein, um einerseits ein Einschneiden und andererseits eine unnötige Einschränkung der Bewegungsfreiheit und ein Verrutschen zu verhindern. Ein gut sitzendes, gepolstertes Geschirr verteilt den Druck ideal, der auf das Geschirr kommt, wenn die Katze an der Leine zieht.

Außerdem sollte der Ring, in den die Leine eingehakt wird, unterpolstert sein, so dass der Karabiner der Leine nicht auf den ungeschützten Katzenrücken aufstößt und ggf. Schmerzen oder Schreckreaktionen auslöst.

Übrigens passen Hundegeschirre Katzen oft nicht gut genug, da Hundekörper noch andere Proportionen haben als Katzenkörper und auch in sich weniger beweglich sind. Eine Katze kann sich unglaublich lang strecken, in sich verdrehen und durch winzigste Lücken quetschen: Wenn der Kopf hindurch passt, passt in der Regel die ganze Katze durch. Ein Blick ins Hundegeschirr-Regal kann sich aber, besonders bei großen Katzen, dennoch lohnen.

Wichtiger Hinweis:
Es gibt für Katzen keine zu 100% ausbruchsicheren Geschirre. Aufgrund des Körperbaus können Katzen sich aus nahezu allen Bauarten und Geschirren befreien, wenn die Motivation groß genug ist – sogar bei passgenau geschneiderten Geschirren. Nicht nur wenn die Katze den Rückwärtsgang einlegt, auch wenn sie in Panik geraten sollte, kann sie sich hinaus winden. Umso wichtiger ist es, die Gassiorte so zu wählen, dass dort keine Gefahr droht.

Als Leine eignet sich eine lange und ultraleichte Biothane-Schleppleine oder auch eine flache Rollleine bzw. “Flexileine” (Achtung, hier gibt es einiges bei der Auswahl und dem Handling zu beachten). Eine ultraleichte Biothaneleine ist leichter als eine Gurtleine und verursacht keine Verletzungen, wenn sie schnell durch die Hände rutscht. Auch das Verheddern der Katze in der Leine ist mit so einer Leine sehr viel schwieriger als mit einer dünnen Kordelleine. Die Karabiner der Leine sollten in jedem Fall möglichst leicht und klein sein. Wenn sie ins Geschirr eingehakt werden, sollte der kleine Schieber, der den Karabiner öffnet und schließt, nach oben zeigen, so dass er nicht auf den Rücken aufkommt, sollte die Leine sich spannen und dann wieder locker werden.

Auch das Handling der Leine sollte der Mensch vorab üben, um die Katze durch versehentliches Rucken oder Ziehen nicht zu erschrecken, ihr weh zu tun oder selbst darüber zu stolpern.

Vorbereitung: Geschirrtraining

Wenn das Geschirr passt, muss die Katze noch lernen, dass sie sich annähernd normal damit bewegen kann. Die meisten Katzen kennen es nicht, etwas Kleidungsähnliches am Körper zu haben und fühlen sich vermutlich eingeschränkt und festgehalten. Viele Katzen kippen dann auf die Seite und bewegen sich nicht mehr. Aber auch eine Katze kann – genau wie ein Hund – ganz kleinschrittig, mit viel Geduld und einem gut strukturierten Training lernen, ein Geschirr zu tragen und sich damit normal zu bewegen. Hier hilft eine versierte Katzentrainerin gern weiter.

Achtung:
Bitte ziehen Sie das Geschirr der Katze nicht einfach an, ohne sie darauf über ein geeignetes Training vorzubereiten. Das wäre übergriffig, unfair und keine schöne Erfahrung für die Katze. Es ist völlig unnötig und beeinträchtigt ggf. ihr Vertrauen in Sie als Bezugsperson.

Anmerkung:
Mit einer Katze „Gassi Gehen“ ist nicht vergleichbar damit, mit einem Hund Gassi zu gehen, vor allem nicht in der Stadt. Sabine Schroll spricht eher von einem „Gassi Stehen“. Aber auch mit Katzen sind Rundgänge und Ausflüge möglich.

Katzencharakter: “Draufgänger” oder “Angsthäschen”?

Als Erstes sollten Sie überlegen, ob Ihre Katze vom Typ her eher ein neugieriger, unerschrockener Draufgänger ist, der in den seltensten Fällen in Panik verfällt oder eher zu den ängstlichen, schreckhaften Exemplaren gehört, die schnell in Panik fliehen und viele Umweltängste (z. B. Geräusche) haben.

Wenn Katzen die vertrauten vier Wände verlassen, betreten sie eine selten kontrollierbare Umwelt. Die Wahrscheinlichkeit, mit Angstauslösern konfrontiert zu werden, steigt dann rapide an. Aber auch ängstliche Katzen können unter bestimmten Umständen von einer gemeinsamen Draußenzeit mit ihren Bezugspersonen profitieren. Und zwar dann, wenn sie das Draußen in einer möglichst kontrollierbaren Umgebung kennen lernen können und einen “sicheren Hafen” dabeihaben (siehe Punkt “Rucksack / Box”).

Gesundheitliche Aspekte: Impfungen/ Wurmkuren/ medizinische Voraussetzungen

Wenn die Katze regelmäßig die eigenen vier Wände verlassen soll, muss sichergestellt sein, dass sie gesund ist und keine Krankheitserreger in der Gegend verteilt, die für andere Tiere gefährlich werden können. Da die Katze in Wald und Flur mit potenziellen Krankheitserregern in Kontakt kommen kann, wäre ggf. eine angepasste Impfauswahl sinnvoll. Auch sollte vor dem Geschirrtraining der Bewegungsapparat überprüft werden.

Umwelt: Umgebung passend auswählen

Hat die Katze gelernt, sich frei an Geschirr und Leine zu bewegen, kann damit begonnen werden, ihr die große weite Welt zu zeigen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten. Entweder die Katze erarbeitet sich den Weg von ihrer Wohnungstür bis in den Garten allein (was dauern kann, besonders wenn man in einem etwas höher gelegenen Stockwerk wohnt), oder sie wird in der Box oder im Rucksack ins Freie getragen. Die 2. Variante ist nur bedingt geeignet. Viele Katzen sind davon überfordert, plötzlich keine Zimmerdecke mehr über sich zu haben und den freien Himmel zu sehen! Schöner ist es, wenn die Katze in ihrem Tempo ihre Ausflüge und ihr “Revier” erweitern kann. Die Umgebung sollte sicher sein, das heißt, die Gefahr von freilaufenden Hunden oder anderen Gefahren und Angstauslösern sollte objektiv eingeschätzt und die Wegstrecke bzw. Umgebung entsprechend gewählt werden.

Rundgang vs. Erkundung an Ort und Stelle

Es gibt Katzen, die ähnlich wie ein Hund mit der Zeit eine kleinere oder größere Runde mit ihrer Bezugsperson laufen. Die meisten Katzen werden jedoch, besonders zu Beginn der gemeinsamen Draußenzeit, eher auf statische Art und Weise Orte erkunden, als eine Runde mitzulaufen. Idealerweise haben Sie hier keine Erwartungen an Ihre Katze: Genießen Sie einfach die gemeinsame Zeit miteinander und lassen Sie die Katze bestimmen, wie lange Sie sich wo aufhalten und was sie dort tun möchte.

Die Katze sollte also sinnbildlich die Zügel in die Hand bekommen und bestimmen, wie schnell, wie weit und wo lang gegangen oder sich aufgehalten wird. Wenn die Katze entspannt Autofahren kann, eröffnen sich weitere Möglichkeiten. Und wenn die Katze bei den ersten Malen nur ums Auto herumlaufen möchte (oder sich in der Nähe oder auf der Schwelle der bekannten Haustür aufhalten möchte) und viel schnuppert, schaut und erkundet, oder sich die Welt lieber vom Schoß oder Arm ihrer Bezugsperson ansehen möchte, ist das auch vollkommen in Ordnung! Es geht nicht darum, eine möglichst große Runde zu laufen oder “Strecke zu machen”. Vielmehr geht es darum, der Katze neue Anreize zu bieten, neue Eindrücke zu sammeln und in der Natur zu sein, Gras oder Waldboden unter den Pfoten zu haben oder an einem echten Baum zu schnuppern und ggf. ein Stück hinaufzuklettern.

Ganz wichtig: Bleiben Sie mit der Katze in der Brut- und Setzzeit auf den Wegen. Diese Regeln gelten nicht nur für Hunde- sondern auch für Katzengassigänger.

Der sichere Hafen: Rucksack / Box

Aus Sicherheitsgründen würde ich immer eine Box oder einen Rucksack mitnehmen, in den die Katze auf Signal schnell einsteigt oder gesetzt werden kann. So kann sie bei Bedarf in Sicherheit gebracht werden, sollte doch einmal ein freilaufender Hund oder ein anderer Angstauslöser auftauchen. Dieser “sichere Hafen” sollte vor dem ersten Einsatz systematisch trainiert und mit Sicherheit und Entspannung verknüpft werden – so steigt die Katze in den meisten Fällen von ganz allein und mit guter Laune hinein und fühlt sich dort sicher und geborgen.

Der Notanker: Rückruf

Es ist in jedem Fall von Vorteil, wenn die Katze einen Rückruf hat, der zuverlässig trainiert ist. Das ist eine gute Möglichkeit, um die Katze jederzeit zu sich zu holen und ggf. sichern zu können. Wie man so etwas trainieren kann, erklärt Ihnen gern eine Katzentrainerin.

Fazit

Auf die Frage: “Katzengassi ja oder nein” gibt es – wie so oft – keine pauschale Antwort. Die Entscheidung dafür oder dagegen ist abhängig von vielen individuellen Faktoren. Einer neugierigen Katze mit wenig Umweltängsten tut man sicher etwas Gutes, wenn man sie mit in die Natur nimmt und dort mit ihr an Leine und Geschirr spazieren geht oder sich einfach nur entspannt aufhält. Meinen Katzen täte ich mit der Idee keinen Gefallen: Sie sind nicht mehr die jüngsten, kennen nur ihre Wohnung und ihren Balkon mit Katzenwiese, sind bei Geräuschen relativ schreckhaft und können auf fremde Menschen gut verzichten. Der Kater meiner Eltern ging aber gern an Geschirr und Leine spazieren: Er war Freigänger, kannte also die Geräusche im “Großen Draußen”, er gewöhnte sich sehr schnell an das Tragen eines Geschirrs und erkundete neugierig die neuen Wegstrecken, er fuhr gern Auto und genoss die Zeit draußen mit seinen Lieblingsmenschen.

by Anne-Katrin Mausolf