Die Frage, ob Katzen in Gesellschaft anderer Katzen leben sollten oder nicht, ist häufig ein Streitpunkt. Insbesondere in den sozialen Medien werden die verschiedenen Meinungen, zum Teil recht vehement, vertreten. Die Betonung liegt hier auf Meinungen.
Vor einigen Jahrzehnten wurde noch propagiert, dass Katzen einzeln gehalten werden sollten, denn „Katzen seien Einzelgänger und würden keine Artgenossen neben sich akzeptieren“ hieß es … damals. Dann änderte sich das Katzenbild und seitdem grenzt es an „Tierquälerei“, Katzen alleine zu halten. Katzen müssten immer (!) mindestens zu zweit leben, besser noch zu dritt, viert etc..
Das geht inzwischen so weit, dass Katzeneltern, die mit nur einer Katze zusammenleben, häufiger Anfeindungen und Ablehnung bis hin zu Beschimpfungen erfahren.
Gibt es zu der Frage „alleine oder zu mehreren“ eine pauschale Antwort?
Wir sagen NEIN.
Aufgrund der (Verhaltens-) Biologie von Katzen und den jeweils individuellen Vorlieben, Charakteren und Geschichten kann die Antwort auf eine Frage dieser Art nur lauten “Kommt darauf an”. Und sogar Laien, die mit mehr als einer Katze Bekanntschaft machen konnten, müssten gemerkt haben: Katze ist nicht gleich Katze.
In der Verhaltensbiologie wird die Hauskatze als „fakultativ sozial“ beschrieben. Damit ist gemeint, dass manche Katzen die Gesellschaft anderer Katzen sehr schätzen und manche Katzen überhaupt nicht oder nur zeitweise. Das bedeutet, dass jede Katze selbst entscheidet, ob, wann und wie viel kätzische Gesellschaft sie möchte oder eben nicht.
Die sozialen Fähigkeiten und Präferenzen sind von Katze zu Katze unterschiedlich ausgeprägt. Die Frage „Was hat die Katze in ihrer sensiblen Phase kennengelernt?“ ist hier entscheidend. Als sensible Phase wird in der Ethologie der Entwicklungszeitraum (bei Katzen etwa zwischen der 2. und 7. Lebenswoche) bezeichnet, in der das Lebewesen für Erfahrungen besonders empfänglich ist und schnell und nachhaltig lernt. Lernt sie also in dieser Zeit viele verschiedene Katzen (z. B. jung, adult, alt, männlich, weiblich) auf eine freundliche Art und Weise kennen, wird sie vermutlich zukünftig fremden Katzen gegenüber aufgeschlossener sein können.
Hat sie aber in dieser Zeit keine anderen Katzen kennengelernt oder ist nur alleine mit nur einer speziellen aufgewachsen, so ist es ungewiss wie sie in ihrem weiteren Leben auf fremde Artgenossen reagieren wird. Natürlich spielen die Erfahrungen mit Artgenossen auch nach der sensiblen Phase, d. h. in der Sozialisierungsphase und danach eine große Rolle.
Hatte eine Katze in der Vergangenheit häufig mit freundlichen Artgenossen zu tun oder freundschaftliche Beziehungen mit ein oder mehreren Katzen gepflegt, stehen die Chancen gut, dass fremde Katzen einen „Vertrauensvorschuss“ von ihr bekommen.
Hat sie hingegen eher unangenehme Erfahrungen mit Artgenossen im Laufe ihres Lebens gemacht oder die unangenehmen Erfahrungen überwiegen über die Angenehmen, wird es wahrscheinlich keinen „Vertrauensvorschuss“ geben.
Einige Katzen haben über viele Jahre wenig bis überhaupt keine Erfahrungen mit Artgenossen machen können, d. h. weder Schlechte noch Gute. Sie haben somit kaum bis keine Referenzerfahrungen und werden daher ängstlich bis misstrauisch auf einen Artgenossen reagieren.
In der Regel wählen Menschen nach menschlichen Gesichtspunkten ihre Katzen aus, sowohl die Erste als auch dann die nachfolgenden Katzen. Das bedeutet, dass die alteingesessene Katze kein Mitspracherecht bei der Auswahl ihrer Partnerkatze hat und einfach einen Artgenossen vorgesetzt bekommt. Gleiches gilt natürlich auch für die Katze, die hinzukommt.
Ob eine Vergesellschaftung funktioniert und in einer Katzenfreundschaft endet oder nicht, hängt grundsätzlich von vielen Faktoren ab, u. a.:
- Prägung, Sozialisierung und Erfahrungen der Katze
- Auswahl einer geeigneten Partnerkatze
- langsame und systematische Art und Weise der Vergesellschaftung
Grundsätzlich sollten wir uns immer bei der Frage nach Einzel- oder Mehrkatzenhaltung zunächst die Katze individuell betrachten. Ihre persönlichen Bedürfnisse, Charaktere, Erfahrungen, Lebensbedingungen und Vorlieben entscheiden darüber, ob sie lieber allein mit ihren Menschen leben möchte oder kätzische Gesellschaft braucht. Und das sollten wir respektieren, auch wenn wir uns für uns selbst etwas anderes wünschen, sofern wir denn unsere Katzen lieben.
Denn das Ziel einer bedürfnisgerechten Katzenhaltung ist ein Katzenleben in Fülle und nicht das Überleben (in Einzelhaft oder mit unerträgliches Mitbewohnern) … zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse.
Pauschalaussagen in Bezug auf Katzen sind daher genauso wenig hilfreich, wie die Vermenschlichung der emotionalen Motivation für kätzisches Verhalten.