Haltung

Die Arroganz des Alufolientricks

Es werden noch immer Artikel veröffentlicht, in denen von „einem genialen Trick“ gesprochen wird, der Katzen vom Kratzen an von Menschen unerwünschten Stellen abhalten soll. Man bräuchte nur einen Haushaltsgegenstand, wie z. B. Alufolie.
Ist das nicht eher ein fauler Trick, ein Täuschungsmanöver, ein Bluff, ein Kniff oder ein listiger Schachzug?

Klingt ja überraschend einfach. Man befestigt einfach Alufolie an die Kratzstellen der Katze die der Mensch als ungeeignet empfindet, wie z. B. Couch, Sessel, Türrahmen, und Schwupps schon ist alles wieder fein. Katze kratzt (angeblich) nicht mehr dort, Mensch zufrieden. Ist ja super bequem, kostet kein Geld, kostet keinen Gedanken an die Katze und ihr Warum, ist halt keine große Mühe. Man hat eben nur eine Weile Alufolie an Einrichtungsgegenständen. Das ist ja auszuhalten, kommt einfach mal zwei Wochen kein Besuch, dass man sich nicht schämen muss, wie es im eigenen Zuhause aussieht.
Kann das denn so einfach sein? Sollten wir wirklich in Bezug auf Lebewesen „einfache Tricks“ anwenden, bei denen man einfach nur einen Haushaltsgegenstand einsetzt?

Ich sage „NEIN!“

Alle Menschen, die mit Katzen zusammenleben wollen, sollten sich von einem minimalistischen und rein menschenfreundlichen Einrichtungsstil verabschieden. Auch wer Sorgen um sein teures Sofa oder seinem teuren Teppich hat, sollte eher eine Plüschkatze kaufen anstatt ein Lebewesen zu adoptieren. Denn die bleibt auch immer ganz brav sitzen, lässt sich jederzeit streicheln und kratzt auch nicht am Sofa oder erbricht auf den wertvollen Teppich. Die gibt es ja inzwischen auch batteriebetrieben, so dass sie dann auch brav an der Leine laufen und sich gern jederzeit auf den Arm nehmen lassen. Praktisch auch, dass man sie weder füttern noch ein Katzenklo reinigen oder zum Tierarzt muss. Die “ideale“ Katze also.

Kommen wir mal zu dem Verhalten „Kratzen“ und welche Funktion das Kratzen für Katzen hat:

Katzen strecken sich u. a. gerne z. B. nach dem Schlafen, da so der Körper gedehnt wird. Kennen wir alle, nach dem Aufstehen strecken wir uns ja auch gern.
Krallenpflege, eine Katze hat insgesamt 18 Krallen. Diese wachsen, wie unsere Fingernägel, ständig nach. Katzen kümmern sich in der Regel selbst um die Krallenpflege durch kratzen und säubern. Auch streifen sie dadurch tote Krallenhülsen ab.
Katzen hinterlassen durch das Kratzen Markierungen:
Hierbei dienen Kratzmarkierungen auch der innerartlichen Kommunikation, sowohl optisch zerstörte Oberfläche), geruchlich (durch die Duftdrüsen an den Pfoten) als auch akustisch (Kratzgeräusche).
Durch Kratzen können Katzen ihre inneren Anspannungen abbauen, weswegen es auch in Konfliktsituationen zu beobachten ist, z. B. in Mehrkatzenhaushalten.
„Aufmerksamkeit einforderndes Verhalten“, vielleicht hat die Katze gelernt, dass der Mensch aufspringt und ihr Beachtung schenkt, wenn sie z. B. am Sofa kratzt. Somit hat der Mensch das Verhalten „am Sofa kratzen“ unbewusst bestärkt. Nach dem Motto „doofe Aufmerksamkeit ist noch besser (weil eine Chance auf Bedürfniserfüllung durch den Menschen) als gar keine Aufmerksamkeit.“

Wichtig:
Bevor man solche vermeidlich „geniale Tricks“ ausprobiert, bitte erst mal herausfinden, warum die Katze an dieser Stelle kratzt, d. h. welches Bedürfnis dahinter steht.
Auch gibt es hier bei Katzen Materialvorlieben, wie z. B. festen strukturierten Stoff oder weiches Holz, u. a. um deutlich sichtbare Spuren hinterlassen zu können.

Warum nun aber keine Alufolie?

Mache ich der Katze eine geliebte Kratzstelle „unbequem“ (z. B. durch die Folie) so dass sie dort nicht mehr kratzen mag, so entziehe ich ihr etwas Angenehmes. Und das kann eine unsichere Katze noch unsicherer werden lassen.
Erschrickt die Katzen beim Kratzen an der Folie, weil sich die kalte und scharfkantige Alufolie unangenehm an den empfindlichen Pfoten anfühlt und zudem hässlich knistert, hat man ihrem Verhalten „Kratzen“ einen Strafreiz zugefügt. Ängstliche Katzen werden zukünftig vorsichtiger/zögerlicher, wenn sie (egal wo) kratzen möchten. Da Kratzen aber ein Grundbedürfnis von Katzen ist, ist dieser innere Konflikt mit Sicherheit kein schönes Gefühl.
Und nehme ich der Katze ihre Kratzstelle durch ein solches „Unbrauchbarmachen“, bestrafe ich sie (negative Strafe). https://trainieren-statt-dominieren.de/blog/allgemein/von-strafe-und-gewalt
Das bedeutet, ich sollte ihr eine echte Alternative (zunächst direkt neben der von ihr gewählten Stelle) für ihr Bedürfnis zur Verfügung stellen, wenn ich sie nicht bestrafen will.
Mag die Katze einfach gern das Material, kann ich ihr z. B. eine Kratzstelle mit einem ähnlichen Material anbieten die sie zerkratzen darf.
Möchte die Katze mit dem Kratzen die Aufmerksamkeit des Menschen, hat sie i. d. R. unerfüllte Bedürfnisse. Diese zu identifiziert und regelmäßig zu erfüllen, ist dann die Lösung!

Fazit:

Es gilt immer herauszufinden was hinter einem für Menschen „unerwünschtem Verhalten“ von Katzen steckt. Sind es unerfüllte Bedürfnisse, Stress, Erkrankungen etc.?

Man sollte in Bezug auf Lebewesen einfach nicht mit „genialen Tricks“ arbeiten, sondern an echten Lösungen!

Beiträge dieser Art sind ausschließlich menschenfreundlich und berücksichtigen NULL das Katzenwohl, daher „Finger weg von solchen katzenunfreundlichen Tricks!“

by Adriane Schulz