Mensch - Katze

Betrachtung des inneren Teams für den Umgang mit der Katze

Das Modell des “inneren Teams” bietet einen anschaulichen Rahmen, um eigenes Verhalten besser zu verstehen bzw. Entscheidungen zu treffen bei Themen, die mit inneren Konflikten einhergehen. Es greift dabei die wohl uns allen vertrauten inneren Stimmen auf, die sich in bestimmten Situationen oder bei bestimmten Fragen zu Wort melden, unser Verhalten lenken oder innere Diskussionen entfachen. Diese inneren Stimmen oder “Teammitglieder” werden wahrgenommen, näher erforscht und gewürdigt mit ihren eigenen Beweggründen und Zielen. Auf dieser Grundlage kann man Potenzial für die eigene persönliche Entwicklung entdecken und erarbeiten: Dazu gehört die Stärkung bzw. Etablierung des “Oberhaupts”, das dann zunehmend souverän und verantwortungsvoll handeln kann. Zusätzlich trägt man den Bedürfnissen einzelner Teammitglieder zu einem gewissen Grad Rechnung und handelt innere Kompromisse aus.

Die Persönlichkeitsentwicklung mit dem Modell des inneren Teams kann sowohl als Selbstcoaching als auch im Rahmen von Beratungen gewinnbringend sein – und zwar auch für uns Katzenhalterinnen im Umgang mit der eigenen Katze bzw. für Katzenhalter, die eine Beratung in Anspruch nehmen.

Ich möchte euch dafür heute ein kleines Beispiel geben.
Monty hat manchmal aus unterschiedlichen Gründen sehr plötzlich sehr schlechte Laune. Er sucht dann aktiv meine Nähe und ich kann seine Stimmung gut erkennen. Wenn ich innerhalb von 1-2 min nicht auf ihn reagiere, kommt es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit dazu, dass er kratzt oder beißt. Wende ich mich ihm hingegen zu und kümmere mich gemäß seiner aktuellen Lage um ihn (Bedürfnis nach Liebe, Futter, Abreagieren, Türservice, Nähe o. ä.), dann sind die schlechte Laune und damit die Gefahr meist innerhalb von 1-3 min erledigt. Deshalb reagiere ich in diesen Momenten schnell, um die Situation für uns beide zu befrieden.

Wenn ich jedoch Besuch habe, kann mich Montys Verhalten, dass sich nun auch gegen den Besuch richten könnte, in einen inneren Konflikt bringen. Dargestellt mit meinem inneren Team könnt ihr euch diese wiederkehrende Situation in mir so vorstellen:

Ein genervter Anteil verdreht die Augen und fragt: “Muss das denn jetzt schon wieder sein, Monty?!!” und ein bequemer Anteil verschließt die Augen und hofft: “Vielleicht macht er ja ausnahmsweise mal nichts und geht gleich wieder von allein…” Daraufhin meldet sich ein dritter Anteil, die Pragmatische, die weiß: “Wenn ich mich kurz kümmere, schafft das Ruhe für alle Beteiligten!”. Damit hat die Unsichere jedoch ein Problem und wirft ein: “Nervt das aber nicht meinen Besuch?” Diese Sorge kommt von der Unsicheren, egal ob ich Monty machen lasse oder kurz interveniere 😉 Und dann kommt in der Regel die Umsichtige und merkt an: “Mein Besuch (und ich auch) soll vor Monty sicher sein und gleichzeitig soll Monty auf keinen Fall aggressives Verhalten ausüben und damit womöglich noch erfolgreich sein”, und sei es nur durch den damit einhergehenden Spannungsabbau.

Diese fünf inneren Anteile sind hier mit ihrer Stimmung, ihrem typischen Satz und einem Namen versehen im Bauch meines Oberhauptes aufgemalt. In einem nächsten Schritt kann ich (als Oberhaupt) nun überlegen, wie hilfreich oder nicht hilfreich diese meine unterschiedlichen Anteile für eine gute Lösung der Situation sein können: Ich empfinde dabei die Bequeme, die Genervte und die Unsichere als nicht sehr konstruktiv (NK), weil sie kein Handlungskonzept haben, meinen Besuch und mich gefährden und Monty im Regen stehen lassen (bestenfalls – die Genervte könnte durch Aktionen Montys schlechte Laune noch steigern). Die Pragmatische und die Umsichtige hingegen finde ich konstruktiv. Die Pragmatische liefert einen einfachen Handlungsplan und die Umsichtige überblickt die Konsequenzen und möchte negative Folgen verhindern.

Nach dieser einfachen Analyse entscheide ich als Oberhaupt, dass in Situationen mit Besuch und übel launigem Monty auf jeden Fall die Pragmatische zum Zuge kommen soll, unterstützt und motiviert durch die Umsichtige. Meine anderen drei inneren Anteile werden jedoch nicht einfach ignoriert, sondern in einem inneren Dialog adressiert:
Die Bequeme, die am liebsten alles ignorieren würde, wird darauf hingewiesen, wie unbequem alles wird, wenn Monty tatsächlich beißt oder kratzt und das gemütliche Zusammensein mit meinem Besuch damit richtig stört. Die Genervte bekommt Mitgefühl und wird etwas beschwichtigt: “Ja, es ist blöd, dass Monty jetzt gerade kommt, aber es gibt wirklich Schlimmeres. Und du weißt auch, dass er gleich wieder sein angenehmes Selbst sein wird…” Und der Unsicheren helfe ich, indem ich meinen Besuch ins Boot hole, ihn kurz um Geduld bitte, mich und Monty entschuldige und erkläre, was ich tue.

Das Ergebnis von dieser Selbstreflexion mit Hilfe des inneren Teams: Ich entschärfe meinen inneren Konflikt, bin handlungsfähig und kümmere mich dabei so gut es mir möglich ist um alle Beteiligten. Win-win-win!

Im Umgang mit unseren Katzen gibt es immer wieder Momente, in denen innere Konflikte auftreten: Herz gegen Verstand, Bequemlichkeit gegen Engagement, ein Bedürfnis gegen ein anderes. Eine Analyse des inneren Teams kann helfen, gute Entscheidungen zu treffen, kritische Situationen gut zu managen und den eigenen Schweinehund etwas häufiger zu überwinden. Dies kann gerade auch bei der Arbeit an Verhaltensänderungen der Katze wirklich wertvoll sein.

by Christine Hauschild